Die ländliche Region im rheinhessischen Dreieck Bingen-Mainz-Alzey ist seit Jahren das Betätigungsfeld der Neonazi-Kameradschaft Rheinhessen um Florian Grabowski (Wöllstein) und André Millenautzki (Ingelheim). Unter verschiedenen Labeln organisieren sie regelmäßig Kleinstkundgebungen in den umliegenden Kleinstädten, zu denen selten mehr als 15 Faschos aufmarschieren. Während die Kameradschaft zuletzt noch für die rechtsextreme Kleinstpartei „Die Rechte“ auflief, haben sie sich Dorfnazis nun der in Thüringen neu gegründeten Nazi-Partei „Neue Stärke“ angeschlossen. Mag ihr Erscheinungsbild noch militanter geworden sein, an ihrer Verherrlichung des Nationalsozialismus verbunden mit rassistischer, antisemitischer und homophober Hetze hat sich nichts geändert. Offene Bedrohungen bis hin zu Mordankündigungen gegen alle, die nicht in ihr faschistisches Weltbild passen sind und waren dabei an der Tagesordnung.
Antifa-Demo sorgte für großes Aufsehen
Auf ihren Kundgebungen zeigen Hauptredner Grabwoski und seine Kameraden ihr faschistisches Weltbild ganz offen. An ihren Wohnorten in der ländlichen Region gerieren sie sich hingegen als nette freundliche Nachbarn. Durch wegschauen und verharmlosen schafft die überwiegend bürgerliche Struktur dabei ein Umfeld, in dem sich Nazis frei bewegen können. Um dies zu durchbrechen organisierten Antifaschist*innen aus Mainz nun eine Antifa-Demo am Wohnort von Grabowski in Wöllstein. Aktueller Anlass war den seit Jahren ersten angekündigten Nazi-Aufmarsch am 16.07.2022 in Mainz. So machten sich am Samstag, 25.06.2022 rund 100 Antifaschist*innen auf den Weg nach Wöllstein. Die antifaschistische Demo durch den Ort mit mehreren Kundgebungen sorgte für großes Aufsehen in der 4.500 Seelen-Gemeinde. An Einwohner*innen wurden Flyer verteilt, die über die faschistischen Umtriebe der ortsansässigen Nazis aufklärten. Anwohner*innen schlossen sich spontan der Demo an. Neben viel Zustimmung gab es wie überall auch einige überwiegend ältere Bürger*innen, die ihren Unmut über eine linke Demo pöbelnd zum Ausdruck brachten.
Nazis verschanzten sich vor dem Wohnhaus von Grabowski
In Wöllstein wohnen neben Grabowski noch weitere bekannte Nazis. Erstmals mit einer öffentlichen antifaschistischen Aktion in ihrem direkten Lebensumfeld konfrontiert verschanzten sich ca. 25 Nazis vor dem Wohnhaus von Grabowski in der Kreuznacher Straße. Die Polizei hatte das Anwesen mit Bauzäunen hermetisch abgeriegelt. Anwesend waren neben auswärtigen Nazis der „Neue Stärke Partei“ auch Mitglieder*innen der Neonazi-Kameradschaft „Widerstand Zweibrücken“ und der NPD. Für alle Aussenstehenden war erkennbar, dass die Antifa-Demo unter dem Motto „Es gibt kein ruhiges Hinterland“ den sonst unbehelligt lebenden Faschos ins Mark traf. Durch ihr faschistisches Auftreten wurde das Nazi-Problem in Wöllstein für alle offensichtlich. Wer angesichts des höchst aggressiven Nazi-Mobs immer noch wegschaut oder verharmlost, wie es Ortsbürgermeister Johannes Brüchert (SPD) gegenüber einer Tageszeitung tat, macht sich mitschuldig.
Polizei schaut rassistischer, antisemitischer und homophober Hetze tatenlos zu
Die einzige Sorge der Ordnungsbehörden galt offensichtlich der bunten Antifa-Demo. Das höchst aggressive Auftreten der Faschos mit andauernden Beleidigungen, Bedrohungen, rassistischer, antisemitischer und homophober Hetze interessierte die Polizei dagegen weniger. Ein für uns nur allzu bekanntes Verhalten bei einer rechtsoffenen Polizeikultur. Nur zögerlich unterbanden Cops einen angedeuteten Ausbruchsversuch um einen Fotografen anzugreifen. Auffällig war, dass die Polizei mit lediglich ca. 50 Einsatzkräften vor Ort war. Bei den bisherigen Aufmärschen der Kameradschaft Rheinhessen wurden stets fünf Hundertschaften einschließlich Polizeihunde eingesetzt. Offenbar sorgte der G7-Gipfel in Elmau für eine dünne Personaldecke. Die Sorge vor einer Überforderung der Polizeikräfte bei einem Ausbruch der Nazis war spätestens erkennbar, als eine zweite Sicherheitsbarriere mit Einsatzfahrzeugen aufgebaut wurde. Allerdings hatte die Abschirmung mittels Bauzäunen den positiven Nebeneffekt, dass alle Nazis den Tag hinter Gitter verbringen mussten.
Antifa zieht positives Fazit – Breites Bündnis gegen den Nazi-Aufmarsch am 16.07. in Mainz
Die organisierenden Antifaschist*innen ziehen ein positives Fazit. Es sei gelungen, antifaschistischen Protest erkennbar in das Hinterland der großen Städte zu tragen und die Nazis ein Stückweit aus ihrer bürgerlichen Deckung zu holen. Es könnte nicht die letzte Antifa-Demo im rheinhessischen Hinterland gewesen sein. Für die Mainzer Antifa war die Demo nur ein Auftakt. Gegen den Nazi-Aufmarsch am 16.07. in Mainz hat sich bereits ein breites Bündnis gebildet. Weiter Infos gibt es bei Rechte Kampfkultur entwaffnen
Eine umfangreiche Fotodokumentation gibt es bei Kai Schwerdt
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