Reichsbürger-Quartett wegen zahlreicher Delikte vor Gericht

Am 07. Januar 2022 begann der mit Spannung erwartete Strafprozess vor dem Landgericht Mannheim gegen vier Angeklagte, die der Reichsbürgerszene zugerechnet werden können. Laut Anklageschrift soll das Quartett, welches sich vor Jahren im Rhein-Neckar-Raum gebildet hatte, u.a. Verstöße/Delikte gegen das Waffen- und Munitions-, sowie Kriegswaffenkontroll- und Sprengstoffgesetz begangen haben. Als Rädelsführer der Gruppe gilt Karl B., auch bekannt als Druide Burgos von Buchonia, der seit über einem Jahrzehnt durch volksverhetzende und rassistische Äußerungen, auch in der bundesdeutschen Mittelaltermarktbranche, in Verruf geraten und in Ungnade gefallen ist.

Prozessauftakt

Für den Strafprozess wurden bis Anfang April 2022 insgesamt 10 Verhandlungstage vom Gericht angesetzt.

Unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen (z.B. BFE-Beamte im Sitzungssaal; auch Journalisten waren als Schreibwerkzeuge nur Bleistifte erlaubt, vor Verhandlungsbeginn wurde der Sitzungssaal von einem Polizeihundeführer mit Diensthund inspiziert) startete der Prozess gegen einen als rechtsextremistisch eingestuften, selbst ernannten „Druiden“ und drei weitere Männer wegen Verstoßes gegen u.a. das Waffenrecht. Der 71-jährige Hauptangeklagte, Karl B. muss sich auch wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung verantworten.

Laut Staatsanwaltschaft Karlsruhe (Az.: 4 KLs 530 Js 30566/17) soll er auf einer bei Neonazis beliebten Internetplattform (Anm. d. Red.: VK.com) den Holocaust geleugnet, zum Mord an Juden aufgerufen und gegen Flüchtlinge gehetzt haben. Mit seinen Äußerungen habe der Mann den Nationalsozialismus verherrlicht und Verbrechen der NSDAP an Juden geleugnet, so Staatsanwalt Thomas Röber am vergangenen Freitag vor der vierten Strafkammer. Somit ist, aus Sicht der Staatsanwaltschaft, der öffentliche Frieden gestört worden.

Thomas Röber, Staatsanwaltschaft Karlsruhe

Die zwischen 2015 und 2016 veröffentlichen Beiträge des 71-Jährigen bei VK (Anm. d. Red.: russisches Pendant zu Facebook) waren laut Anklage geeignet, das Vertrauen der Menschen in die Rechtssicherheit zu erschüttern und das gesellschaftliche Klima zu vergiften. Im Juni 2019 hatte der den sogenannten Reichsbürgern sehr nahestehende „Druide“ Medienberichten zufolge im Internet den Mord am hessischen Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke begrüßt. Am Rande der Verhandlung wies der Hauptangeklagte, der mit langem weißem Haar und Bart; keltisch geschmückt-garniert auftrat, den Vorwurf der Volksverhetzung von sich.

Er und die drei weiteren Beschuldigten sollen sich wegen eines aus ihrer Sicht drohenden Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung mit einem umfangreichen Waffenarsenal ausgestattet haben – angeblich zum Selbstschutz, wie die Beklagten in Vernehmungen ausgesagt haben sollen. Die Polizei fand bei Hausdurchsuchungen im Jahr 2017 bei dem Quartett Tausende Patronen, selbstgebaute Waffen (sog. Slamguns, wie sie auch beim Attentat in Halle an der Saale* verwendet wurden), einen geladenen Schießkugelschreiber, einen selbstgebauten Flammenwerfer (manipulierter Spritzmittelkanister mit montierter Gaskartusche) und über 1 Kilogramm Schwarzpulver.

*Rückspiegel: zum Zeitpunkt des Anschlags auf die Synagoge in Halle an der Saale 2019 soll Karl B. dort zeitweise gewohnt haben. Es gibt Hinweise von u.a. investigativen Journalisten, dass Karl B. seinerzeit unmittelbar nach dem gescheiterten Anschlagsversuch mit Toten und Verletzten im Umfeld des Tatorts behördlich ins Visier genommen wurde.

Gegen den „Druiden“ hatte die Bundesanwaltschaft bereits 2017 wegen Terrorverdachts ermittelt. Sie hatte ihre Ermittlungen damals gegen ihn und fünf weitere mutmaßliche Komplizen wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung seinerzeit nicht weiterverfolgt, weil sich der Verdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung nicht hatte erhärten lassen. Demzufolge gab sie das Verfahren ab an die Karlsruher Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft. Diese erhob Anklage beim Mannheimer Landgericht gegen den 71-Jährigen und drei Gesinnungsgenossen wegen u.a. des Verdachts des unerlaubten Erwerbs von Munition. Der Rädelsführer wohnte zeitweise auch im Raum Schwetzingen/Brühl, wo er Anfang 2012 aus einem keltischen Steinkreisverein, wegen religionsfeindlicher Äußerungen ausgeschlossen wurde.

Der Prozess begann erst jetzt mit einem langen zeitlichen Verzug zu den Taten im Zeitraum 2015 bis 2017, weil laut einem Gerichtssprecher dringlichere Haftsachen vorrangig behandelt wurden.

Neben Karl B. stehen vor Gericht Thiemo B., Klaus D. und Frank E. Dem Eindruck nach hatten sich die Angeklagten nichts mehr zu sagen. Keine Begrüßung, man würdigte sich kaum eines Blickes untereinander. Könnte inszeniert gewesen sein. Wohl aber nicht – dazu mehr im weiteren Verlauf.

Prozessverlauf und Anklage im Detail

Wie eingangs erwähnt, werden dem Quartett diverse Gesetzesverstöße zum Vorwurf gemacht. Thomas Röber als Vertreter der Staatsanwaltschaft Karlsruhe benötigte nahezu eine Stunde, um die Anklageschrift zu verlesen. Der mutmaßlichen Tätergruppe wird des weiteren angelastet u.a. illegal und nicht genehmigte Munitionsarten erworben zu haben (einer der Angeklagten konnte als Sportschütze mit seiner Waffenbesitzkarte Munition legal erwerben), illegaler Munitionshandel, illegales Herstellen von Schusswaffen, unerlaubter Waffenbesitz (Einhandmesser, Schlagring und eine zur scharfen Waffe umgebaute Schreckschusspistole), Erwerb von Chemikalien, die sich zusammen mit Schwarzpulver, eignen um Sprengstoffe herzustellen, unerlaubter Besitz von sogenannten Polen-Böllern (ohne vorgeschriebener Kennzeichnung zum erlaubten Verkauf).

Ein größerer Teil der illegalen Munitionsbestände -gehortet auch in Erdbunkern-, darunter auch welche, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen (Vollmantelgeschosse mit Metall- und Bleikern; sog. NATO-Munition), sollten gewinnbringend weiter veräussert werden. Dieses Ansinnen wurde dem Quartett zum Verhängnis. Verdeckt ermittelnde Fahnder von LKA-Behörden hatten sich zum Schein als Käufer interessiert gezeigt. Es folgten: Festnahmen, Hausdurchsuchungen und Vernehmungen.

Karl B. steht zudem wegen Volksverhetzung vor Gericht. So soll er sich, laut Anklage, in einem sozialen Netzwerk öffentlich antisemitisch über das Holocaust-Mahnmal in Berlin geäußert und damit die Shoa geleugnet zu haben. Darüber hinaus soll der dazu öffentlich aufgerufen haben (sinngemäß) „Alle Schwarzen (Menschen) zu kastrieren, denen man habhaft werden kann.“

Druide Karl B. bei einem Aufzug von SaGeSa (Saarland gegen Salafisten) und der rechtsextremen Kameradschaft Widerstand Zweibrücken (Sreenshot Vk.com, zirka 2015)

Es wurde am 07.01. auch bekannt, dass das Quartett Unterstützung von zwei Frauen hatte. Der Staatsanwalt bezeichnete Margot M. (aus Brühl) und Kerstin N. als Freundinnen des Druiden Karl B.. Inwieweit gegen diese Personen ermittelt wird oder wurde war am Verhandlungstag nicht zu erfahren.

Margot M. wurde vom Autor dieses Artikels bei Facebook mit höherer Wahrscheinlichkeit identifiziert. Vom Alter her passt sie zu Karl B. und teilt sein Faible für Mittelaltermärkte und Keltentum. Auf Anfrage des Autors bestätigte ein Unternehmer aus Rheinland-Pfalz, der selbst bundesweit auf Mittelaltermärkten tätig ist, dass er die Frau von MA-Märkten her kennt. Eine direkte Verbindung zu Karl B., der in früheren Jahren selbst als Unternehmer in dieser Branche tätig war, konnte allerdings von ihm nicht eindeutig bestätigt werden.

 

In einer nicht-öffentlichen Verhandlungsphase tauschten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und die insgesamt fünf Strafverteidiger (Karl B. hat zwei Anwälte) darüber aus, inwieweit sich die Angeklagten zu den Tatvorwürfen vor Gericht einlassen würden. Anschließend wurde bekannt, dass sich wohl 2-3 der Angeklagten zu den Anklagepunkten äußern wollen und sich geständig zeigen werden.

Der Hauptangeklagte Karl. B. zählt nicht dazu: O-Ton in einer Verhandlungspause „Ich sage nichts aus. Die da haben doch genug ermittelt. Sollen doch schauen, was sie daraus machen.“

Zwei der Angeklagten beabsichtigen ihre Aussagen in schriftlicher Form zu machen. Die Aussagen sollen Gegenstand des nächsten Verhandlungstermins am 21.01. sein.

Die Mitangeklagten sind dem Anschein nach so etwas wie gescheiterte Existenzen, auch wenn man dies nicht gerne so berichtet. Ihre Biografien weisen darauf hin, dass sie sich „vom Leben betrogen und enttäuscht“ fühlen könnten Und „in Teilen von Kindheit an in prekären, sozial-schwachen Milieus“ das Erwachsenenalter erreichten. Was aber auf keinen Fall als Entschuldigung für die angeklagten Straftaten, einzeln oder gemeinsam bzw. in Tateinheit begangen, herhalten darf. Die kriminelle Energie, gemäß Vortrag der Staatsanwaltschaft, der Angeklagten insgesamt deutet dies überdeutlich an.

Wer sind die Strafverteidiger?

Aktuell erwähnenswert sind nur zwei Rechtsanwälte.

Zum einen Klaus Schroth (Verteidiger von Thiemo B.) aus Karlsruhe: Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande für sein ehrenamtliches Engagement; medial u.a. bekannt durch den „Kachelmann-Prozess“ und Stasi-Prozesse.

Vier der 5 Strafverteidiger am 07.01.22

Und zum anderen Thomas Pennecke (einer der beiden Verteidiger von Karl B.) aus Rostock: Ein in der Neonaziszene beliebter Anwalt, der schon in den 1990er Jahren für die NPD in Mecklenburg-Vorpommern auf der Straße aktiv war.

RA Penneke, rechts im Bild

Dokumentarisch, reflektorisch – das unsägliche Treiben von Karl B. (als Burgos von Buchonia) in sozialen Netzwerken

  • Bei VK: exemplarische Screenshots aus dem Zeitraum 2016 – 2019, die in Teilen dazu geführt haben könnten, dass Ermittlungsbehörden aktiv wurden
  • Bei Telegram betreibt er mindestens zwei Kanäle, die auch kurz vor und nach dem ersten Verhandlungstag am 07.01.2022 in Mannheim Aktivitäten aufweisen
  • Bei Facebook ist Karl B. seit Jahren nach mehreren Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen dauerhaft gesperrt. Ebenso erging es ihm Anfang der 2010er-Jahre beim nicht mehr existierenden sozialen Netzwerk Wer-kennt-wen. Schon damals wurden seine Nutzerkonten bei Wkw wegen antisemitischen, rassistischen Äußerungen und Gewaltaufrufen gesperrt.

Im Prozess geht es am 22.01.2022 in Mannheim weiter. Zu erwarten sind die Aussagen der einlässigen Mitangeklagten von Karl B. und vermutlich wird an diesem Tag auch die Beweisaufnahme mit Zeugenanhörungen beginnen.

Bildmaterial des angeklagten Quartetts dürfen nach Vorgabe der Strafverteidiger nur pressemäßig veröffentlicht werden, insofern ihre Mandanten unkenntlich gemacht werden.

(Bericht (mit weiteren Quellen) und Fotos (zusätzliche wie angegeben): Rick de la Fuerte) 

Thematisch weiterführende Links:

https://wiki.sonnenstaatland.com/wiki/Burghard_Bangert

https://www.psiram.com/de/index.php/Burghard_Bangert

https://www.antifainfoblatt.de/tags/thomas-penneke

https://www.antifainfoblatt.de/artikel/die-npd-im-brandenburgischen-neuruppin