Am 01.09. begleitete ein Einsatzzug der Bereitschaftspolizei Mannheim eine kurdische Demo zum Antikriegstag. Dabei trug ein einzelner Polizist ein Abzeichen, das dem Logo der Nazi-Partei III. Weg ähnelt. Auf unsere direkte Nachfrage verweigerte sowohl dieser erkennbare Gruppenführer als auch der herbeigeeilte Zugführer eine Auskunft über die Bedeutung dieses Abzeichens.
Recherchen ergaben nun, dass es sich bei dem Abzeichen um ein kommerziell vertriebenes Dienstgruppen-Abzeichen handelt, das kein offizielles Abzeichen der Polizei ist.
Die Polizei Mannheim hat inzwischen bestätigt, dass dieses Abzeichen nicht an der Uniform getragen werden darf.
Nach Mitteilung der Polizei wurde das Abzeichen aufgrund unserer Nachfrage entfernt. Dies kann jedoch nicht unmittelbar geschehen sein, da wir die Polizei-Gruppe weiter im Blick hatten. Auch Fotos, die diese Aussage belegen, liegen uns nicht vor. Soweit die Fakten.
Ob das Tragen dieses Abzeichens einen politischen Hintergrund hat, lässt sich nicht belegen. Zumindest gibt es eine nachvollziehbare Erklärung, dass das Abzeichen nichts mit der rechtsextremen Partei „Dritter Weg“ zu tun hat. Über die Motivation des Trägers wollen wir nicht spekulieren.
Zum eigentlichen Kern des Polizeiproblems
Eigentlich ist ein nicht erlaubtes Abzeichen an der Uniform eines Polizisten keine große Sache, würden da nicht seit Monaten aufgedeckte rechtsextreme Strukturen innerhalb des Polizeiapparats die Glaubwürdigkeit der Polizei bis ins Mark erschüttern. Was von Polizeiführung und regierenden Politiker*innen gerne als „Einzelfälle“ abgetan wird, ist offenkundig: die Polizei hat ein institutionelles Nazi-Problem. Vor den mit NSU 2.0 unterzeichneten Morddrohungen gegen linke oder migrantische Politiker*innen und Aktivist*innen fanden damit zusammenhängende unbegründete Datenabfragen an Polizeicomputern statt. Bis heute ist die Aufklärung des rassistisch motivierten Mords an Oury Jalloh in einer Gefängniszelle in Dessau an der Vertuschung durch die Polizei gescheitert. Kommen die Ermittlungen der jahrelangen rechtsextremen Terror-Anschläge in Berlin-Neukölln tatsächlich nur aufgrund von Dilettantismus der Polizei nicht voran? Es gibt unzählige dokumentierte politisch oder rassistisch motivierte Polizeigewalt, wie erst kürzlich in Ingelheim geschehen. Ob Sachsenpanzer, Compact-Zeitschrift hinter der Fensterscheibe eines Polizeifahrzeuges oder White-Power-Sticker auf einem Polizisten-Helm, immer offener werden rechtsextreme Einstellungen innerhalb der Polizei mehr oder weniger offen zur Schau getragen. Polizist*innen sitzen für die AfD in den Parlamenten und treten ungeniert als deren Funktionsträger auf. Polizeigewerkschaften, allen voran die AfD-nahe DPolG, ersticken jede noch so berechtigte Kritik an der Polizei im Keim. Dies sind nur Beispiele von unzähligen weiteren rechtsextremen Vorfällen. Wer vor diesem Hintergrund meint, ein möglicherweise rechtsextremes Abzeichen auf einer Polizeiuniform wäre eine Bagatelle, hat nichts verstanden oder steht gleich auf der rechten Seite.
Auch wenn in diesem Fall wahrscheinlich kein politischer Hintergrund vorliegt, gärt innerhalb der Polizei ein unsäglicher Korpsgeist, der von jedem Polizist und jeder Polizistin unbedingte Treue und absoluten Gehorsam innerhalb einer überhöhten Kameradschaft verlangt. Eine Affinität zu glorifizierenden Abzeichen ist Ausdruck dieser verschworenen autoritären Gemeinschaft. Dieser Korpsgeist sorgt nicht nur dafür, dass Konsequenzen bei Fehlverhalten von Polizist*innen wirksam verhindert werden, er widerspricht auch der notwendigen Transparenz einer demokratischen mit dem Gewaltmonopol ausgestatteten Polizei. Dies zeigt sich u.a. daran, dass solche inoffiziellen Abzeichen als Teil der Polizeiuniform nicht erlaubt sind. Dennoch sind private Patches an Polizeiuniformen ein weit verbreitetes Polizeiproblem. Heute genau vor drei Jahren sorgte beispielsweise ein bei Rechtsextremen beliebtes Abzeichen in Wurzen für großes Aufsehen. Damals wurde das SEK gegen eine Antifa-Demo aufgeboten. Sensibilität und Offenheit sind angesichts der Vielzahl der aufgedeckten rechtsextremen Fälle innerhalb der Polizei gefragt, nicht Kadergehorsam. Wer rechtsextreme Umtriebe innerhalb der Polizei bagatellisiert, muss sich über schwindendes Vertrauen in die Polizei nicht wundern. Unser Vertrauen ist längst geschwunden.