Die Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Westpfalz Ricarda Riefling wurde am 27.10.2020 vom Amtsgericht Pirmasens nach § 86a StGB wegen Veröffentlichung verfassungsfeindlicher Kennzeichen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Anlass war ein von ihr veröffentlichter Facebook-Post zum Muttertag 2020, der das Logo „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV)“ zeigte. Die Unterorganisation der NSDAP wurde bereits 1945 durch den Alliierten Kontrollrat verboten. Zum Prozess kam es, weil der Staatsschutz offenbar nicht nur linke Accounts in den sozialen Medien observiert, sondern auch mal bei Nazis vorbei schaut und Riefling gegen den vorher ergangenen Strafbefehl Einspruch einlegte.
Die 36-jährige gelernte Sozialassistentin für Hauspflege machte vor Gericht umfassende Einlassungen und gab sich, wie wir es von Nazis kennen, betont harmlos und ahnungslos. Sie trat dabei als vaterlandstreue Mutter auf und legte Wert darauf, sechs Kinder geboren zu haben. Seit dem Alter von 14 Jahren sei sie politisch aktiv und studierte Kulturwissenschaften mit den Schwerpunkten Geschichte, Philosophie und Literatur. Wann sie dabei der rechtsextremen Blut-und-Boden-Theorie verfiel, verriet sie nicht. Ricarda Riefling trat erstmals 2002 als Rechtsextremistin bei der „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ in Erscheinung. Sie war zuerst mit dem NPD-Kader Dieter Riefling verheiratet und Vorsitzende der NPD-Unterorganisation „Ring Nationaler Frauen“, bevor sie nach Streitigkeiten 2012 von Niedersachsen zu ihrem neuen Lebensgefährten dem jahrelangen NPD-Landesvorsitzenden Markus Walter nach Pirmasens zog.
Als Verteidiger von Ricarda Riefling trat der szenebekannte Rechtsanwalt Andreas Wölfel (Landkreis Wunsiedel) auf, der bereits als Anwalt für Thorsten Heise, eine zentrale Größe in der Neonazi-Szene und den umtriebigen Neonazi-Geschäftsmann Thommy Frenck agierte (2). Wölfel stellte dann auch eine Fülle von Anträgen, so auch den angesichts des Tatvorwurfs völlig aussichtslosen Antrag auf seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Die Verteidigungsstrategie wurde früh deutlich: Riefling hatte das Poster der verbotenen NSV angeblich „gutgläubig“ veröffentlicht, weil sie weder die NSDAP-Unterorganisation noch das mit einer auch vom NS-Regime verwendeten Lebensrune versehene Symbol kannte. Dem folgte die Richterin angesichts der nationalsozialistischen Vita der Angeklagten nicht und verurteilte die NPD-Funktionärin zu wie bereits im Strafbefehl verhängten 30 Tagessätzen a 15 Euro.
Die NPD Rheinland-Pfalz rief im Vorfeld der Gerichtsverhandlung zur Unterstützung der Angeklagten zu einer Mahnwache vor dem Gebäude des Amtsgerichts unter dem Motto „Freiheit statt Fahnenverbote und Gesinnungsjustiz“ auf. Neben Ricarda Riefling und ihrem Lebensgefährten Markus Walter nahmen nur eine Handvoll Nazis aus dem bekannten Umfeld der NPD Westpfalz teil.
Im Gerichtssaal wurde von den angereisten Unterstützer*innen dann nur der Lebensgefährte von Riefling Markus Walter als Besucher zugelassen. Zuvor hatten Presse, Staatsschutz und wir die meisten der aufgrund der Corona-Einschränkungen nur wenigen Besucherplätze belegt. Der NPD-Vorsitzende drehte vor Beginn der Hauptverhandlung ein kurzes Video und blieb ansonsten völlig unauffällig.
Auffallend war allerdings, dass das kürzlich durch die Landesregierung erlassene „Reichsflaggenverbot“ in Rheinland-Pfalz (3) offensichtlich nicht im Umfeld des Amtsgerichts Pirmasens gilt. Selbst auf dem Innengelände des Amtsgerichts schritten weder Polizei noch Justizbeamte ein. Nicht, dass wir Flaggenverbote für sinnvoll halten. So jedoch sorgt der Staat selbst für Propaganda-Erfolge der Nazis, die stolz ihre mitgebrachten Reichsflaggen unter dem Motto „Kein Verbot stoppt schwarz-weiß-rot“ schwenkten. Verteidiger Wölfle hatte dabei beim freundschaftlichen Plausch offensichtlich weder mit den anwesenden Nazis noch mit den gezeigten Reichsflaggen ein Problem.
Sehr positiv fiel uns dagegen auf, dass auf dem Weg vom Hauptbahnhof zum Amtsgericht und in der Innenstadt von Pirmasens neben Fanstickern des FC Kaiserslautern nur antifaschistische linke Sticker zu finden waren. In der ehemaligen NPD-Hochburg gehören die Straßen offenbar nicht mehr der Nazi-Partei. So muss das sein.
Hinweis: In einer früheren Version nannten wir aufgrund einer Namensverwechslung im Gericht einen falschen Verteidiger.