Rund 300 Menschen, aus unterschiedlichen Motiven, demonstrierten am 16.04.2022 in Weinheim/Bergstraße gegen die Glorifizierung eines Holocaustleugners und Volksverhetzers, der insgesamt 5 Jahre seines Lebens wegen diverser Delikte hinter Gittern verbrachte.
Günter Deckert, zuletzt Stadtrat in Weinheim für die der NPD-nahestehenden Deutsche Liste, war am 31.03.2022 nach einem Krankenhausaufenthalt im Alter von 82 Jahren von der Bühne der führenden Neonazis in der BRD nach 1945 abgetreten.
Totalversagen am rechten Rand
Statt der angemeldeten 150 Teilnehmer nahmen an dem Aufzug weniger als 50 Personen teil. Mobilisiert hatte zu dem Aufzug Jan Jaeschke (NPD Baden-Württemberg), der sich selbst als Ziehsohn von Deckert stilisiert. Angemeldet wurde der Nazispuk von Arthur Sitarz (NPD Rhein-Neckar); der auch gerne regelmäßig Proteste gegen Coronaschutzmassnahmen in Sinsheim befeuert.
Mehrheitlich versammelten sich als Resterampe der ultrarechtsextremistischen Szene ausgediente Kader von NPD, Die Rechte, Neue Stärke und aus der Kameradschaftsszene, sowie der Freien Liste Biblis:
- Thomas „Steiner“ Wulff (Hamburg, ex-NPD, mehrfach vorbestraft wegen politischer Delikte)
- Edda Schmidt (NPD BaWü, Shoaleugnerin, ehemalige Vorsitzende des Ring Nationaler Frauen, rechtskräftig zusammen mit ihrem Ehegatten wegen Volksverhetzung verurteilt)
- Florian Grabowski (Die Rechte Südwest, Kameradschaft Reinhessen, Neue Stärke)
- Christian Worch (Bundesvorsitzender Die Rechte, langjähriger Kader in der rechten Szene)
- Alexander Flätgen (ex-NPD Saar, SaGeSa, jetzt Neue Stärke; rechtskräftig wegen Körperverletzung verurteilt)
- 2 Lennart’s: Schwarzbach (NPD Hamburg) und Aae (NPD Sachsen)
- Hans-Peter Fischer (Freie Liste Biblis; Ex-Hotelier Neisseblick Ostritz: Schwert und Schild Rechtskonzertvermieter, mutmaßliches ex-Mitglied der NPD und Wiking-Jugend)
- Nicole Schneiders (Rechtsanwältin im rechten Specktrum, NSU, Weggefährtin von Christian Hehl (NPD Mannheim))
Was leistete Antifa und was war nur Weinheim bleibt bunt?
Wer waren die 200-300 Menschen, die gegen den Naziaufzug demonstrierten?
Toll, dass bürgerliche Bündnisse punktuell präsent sind. Nicht toll, dass diese oft keine wirkliche Präsenz zeigen und sich lieber verstecken, wenn es z.B. darum geht gegen offenkundige Demokratiefeinde klare Kante zu zeigen; auf der Straße. Das Bündnis „Weinheim bleibt bunt“ gehört zur Sorte „Ja wir machen was, wollen aber keinen Stress“.
Ziemlich erbärmlich diese Haltung; sich hinter Zeder und Schloss zu verschanzen. Und die wirklich wichtige Arbeit echten AntifaschistInnen zu überlassen. Rund 100 „Antifas“ stellten sich der Herausforderung in Weinheim, den Rechten klar zu machen, dass diese an der Bergstrasse nicht willkommen waren.
Willkürliches Vorgehen der Polizei heftig kritisiert – Antifaschistisches Bündnis Weinheim bezieht Stellung
Von Polizeiwillkür berichtet Tanja Hilton (Omas gegen Rechts Rhein-Neckar) bei Facebook (Zitat):
„Zunächst nahm ich an der Kundgebung am Bahnhof teil, aber es wurde schnell klar, dass die größere Kundgebung, die am Schlossplatz sein würde, also begab ich mich gemeinsam mit anderen Leuten, die ebenfalls zur Kundgebung am Schlossplatz wollten auf den Weg dorthin. Ortsunkundig liefen wir wohl zunächst in die falsche Richtung, bemerkten dies aber, und korrigierten unsere Route, wurden aber dann von der Polizei das erste Mal in der Friedrichstraße eingekesselt. Auf die Frage, weshalb wir eingekesselt wurden, wurde uns vorgeworfen, in einer zu großen Gruppe unterwegs zu sein, so dass es den Eindruck erwecke, bei uns handele es sich um eine nicht angemeldete Laufdemo. Man nahm unsere Personalien auf, und teilte uns mit, dass man uns zunächst nur einen Platzverweis androht. Diesen würden wir später dann noch kriegen. Uns wurde untersagt, weiterhin in unserer Anreisegruppe gemeinsam in Richtung Schlossplatz zu laufen, und wir wurden angehalten, in verschiedene Richtungen in Gruppen von maximal 3 Personen weiter zu laufen, was wir auch taten, auch wenn dies weitere Umwege für uns bedeutete. …
Man wird als Oma gegen Rechts (deutlich erkennbar an der Weste, die ich bei solchen Gelegenheiten trage), mit mehrfacher, schon absichtlicher Schikane anmutender Einkesselung davon abgehalten, an einer angemeldeten öffentlichen Kundgebung teilzunehmen, und erhält am Ende ein en Platzverweis, aber nicht, ohne zuvor Zeugin zu werden, wie ein junger Genosse von einem der anwesenden Polizisten noch beleidigt wird „Geh mal duschen und nimm Deo, du Kracher!“,…
Eine Beschwerde gegen die mehrfache Einkesselung, die Verhinderung meiner Teilnahme an der Kundgebung auf dem Schlossplatz, den Platzverweis, sowie gegen den beleidigenden Polizisten werde ich am Dienstag morgen auf dem Polizeipräsidium Mannheim abgeben, das mir von dem anwesenden Beamten des Anti-Konflikt-Teams als zuständige Behörde genannt wurde….“
Das Antifa-Bündnis äußert sich wie folgt, im Nachgang zum 16.April 2022 in Weinheim:
„Danke an 300 Menschen, die vergangenen Samstag, den 16.04.2022, ein Zeichen gegen Faschismus und Rassismus in Weinheim gesetzt haben! Gemeinsam ist es uns gelungen, dass der Trauermarsch, an dem 44 Nazis aus ganz Deutschland teilnahmen, nicht durch die Weinheimer Innenstadt ziehen konnten. Zudem musste die geplante Route der Nazis stark verkürzt werden. Die Nazis konnten kaum einen Schritt machen, kaum einen Satz sprechen ohne von Aktivist*innen gestört zu werden. Auf dem Weg in die Innenstadt wurden Aktivist*innen von der Polizei daran gehindert die Kundgebung von „Weinheim bleibt bunt“ zu erreichen. Auch in der Grabengasse wurden Aktivist*innen ohne Begründung eingekesselt und festgehalten. Unbegründete Platzverweise wurden seitens der Polizei ebenfalls verteilt. Die Entscheidung, keine spontanen Versammlungen entlang der Route zuzulassen, finden wir mehr als fragwürdig.
Wir kritisieren deutlich die Entscheidung des Bürgermeisters Fetzner den Nazi-Aufmarsch absichtlich an dem „Mahnmal für die Opfer von Krieg, Gewalt und Verfolgung“ vorbeizuleiten. Unter den Faschist*innen, die sich in Weinheim trafen, befanden sich führende Personen aus der bundesweiten rechtsextremen Szene, wie Lennart Schwarzbach, dem Vorsitzenden der NPD Hamburg, Christian Worch, dem Bundesvorsitzenden der Partei „Die Rechte“ und dem Neonazi Thomas „Steiner“ Wulff. Faschist*innen dieses Kalibers lassen sich nicht von Mahnmalen oder Moralpredigten beeindrucken. Es ist vielmehr eine absolute Respektlosigkeit für die Opfer und Hinterbliebenen der NS-Verbrechen Neo-Nazis mit Reichskriegsflagge und Trommeln an dem Mahnmal vorbei marschieren zu lassen.
Organisiert wurde der Trauermarsch von Jan Jaeschke, der den Tag als Heimspiel genießen wollte. Wie bereits unzählige Male zuvor machten die Aktivist*innen ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung, was wohl auch der Grund dafür ist, dass Jaeschke sich vor einigen Jahren bereits komplett aus der Weinheimer Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Wir raten ihm, es dabei zu belassen.
Wir begrüßen, dass das Bündnis „Weinheim bleibt bunt“ zu einer Gegenkundgebung aufgerufen und viele Menschen mobilisiert hat. Wir bedauern allerdings, dass WBB mal wieder kein Interesse daran hatte, gemeinsam mit uns ein sinnvolles Konzept für den Tag zu planen. Stattdessen distanzierte sich Dirk Ahlheim von den Freien Wählern in seiner Rede von der Antifa, die gleichzeitig zu seiner Rede dafür sorgte, dass der Nazi-Aufmarsch nicht die Weinheimer Innenstadt passieren konnte. Dabei waren die Aktivist*innen zu jedem Zeitpunkt friedlich und es ging keine Eskalation von ihnen aus. Leider sorgt das Verhalten von „Weinheim bleibt bunt“ zum wiederholten Mal für die Spaltung des antifaschistischen Widerstandes und ist für uns deswegen auf keine Weise nachvollziehbar.
Wir kritisieren außerdem, dass die wnoz am Tag des „Trauermarsches“ eine Todesanzeige für Günter Deckert veröffentlichte, in der Lebensrune und Todesrune abgedruckt wurden, die man auch auf den Gräbern von SS-Angehörigen finden kann. Damit reproduziert die WNOZ rechtsextremes Gedankengut und verbreitet dieses in tausendfacher Auflage. Haltung sieht anders aus, liebe Weinheimer Nachrichten!
Alles in allem war es ein trauriges Schaulaufen der wenigen Nazis und ein stabiles Auftreten der Aktivist*innen vor Ort.
Danke an alle Menschen und Gruppen, die sich den Nazis entgegengestellt haben.
Keiner vermisst euch, Nazis verpisst euch. Alerta!“
Ergänzung;
Schätzungsweise waren 400-500 PolizeibeamtInnen an diesem Tag im Einsatz. Polizei-Pressesprecher wollten sich am Einsatztag auf Presseanfrage vor Ort dazu nicht aüßern.
Der VW-Bus, beim Naziaufzug, mit PF-Kennzeichen ist bekannt, Auf Anfrage dieser Redaktion bei der Intiative gegen Rechts Pforzheim, gehört das Fahrzeug einem Neonazi aus Remchingen (Landkreis Pforzheim)
Bildergalerie:
(Bericht und Fotos: Rick de la Fuerte)
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