Am 07.05.2022 nahmen in Mannheim rund 1000 Personen an Kundgebungen und einem Demozug „Gegen Polizeigewalt“ teil. Dazu aufgerufen hatte die lokale Initiative „Gemeinsam gegen Polizeigewalt – Initiative 2. Mai“, die sich aus rund einem dutzend vor Ort bekannter Gruppierungen zusammensetzt. Anmelder war DIDF (Föderation Demokratischer Arbeitervereine) in Mannheim.
Hintergrund und Anlass
Am 02. Mai 2022 verstarb infolge eines Polizeieinsatzes ein 47-jähriger deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund (Kroate mit bosnischen Wurzeln; 2017 eingebürgert). Der Verstorbene war Patient des Zentralinstituts für seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim. Dort wurde er von einem Arzt als abgängig bei der Polizeiwache im Quadrat H4 gemeldet; eine Eigengefährdung sei nicht ausgeschlossen. In diversen Videofragmenten wurde der brutale Polizeieinsatz von Passanten festgehalten und über z.B. Instagram und Telegram viral verbreitet. Das Entsetzen am Tag des Vorfalls war immens. Aus Entsetzen, Anteilnahme und Trauer entwickelte sich in Mannheim und auch bundesweit Wut über den Polizeieinsatz und die tragischen Folgen für den 47-jährigen Mann.
In rascher Folge während der abgelaufenen Woche fanden nicht nur in Mannheim, sondern auch in anderen Städten in Deutschland Kundgebungen aus diesem Grund gegen Polizeigewalt statt.
In einer Pressekonferenz (Polizeipräsidium Mannheim-Heidelberg, LKA Baden-Württemberg und Staatsanwaltschaft Mannheim) wurde bekannt gegeben, dass die Ermittlungen routinemäßig vom Landeskriminalamt übernommen wurden. Die beiden Polizeibeamten (beide Mitte 25), die an der Habhaftmachung des Verstorbenen maßgeblich beteiligt waren, sind vom Dienst suspendiert. Gegen die beiden Personen wird wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Möglicherweise erfolgt noch eine Sanktionierung auf dem internen Dienstweg, da die beiden männlichen Beamten entgegen der Dienstvorschrift ihre Bodycams nicht in Betrieb nahmen. Bekannt wurde auch, dass erste Obduktionsergebnisse der Rechtsmedizin Heidelberg (Universitätsklinikum) auf stumpfe Gewaltspuren am Leichnam hinweisen. Todesursächlich dürften diese nicht gewesen sein, da ansonsten keine schweren Verletzungen festgestellt werden konnten. Der Patient litt offenbar an einer Herzkrankheit zusätzlich zu den Gründen, weshalb er Patient des ZI war.
Zweifel an Aufklärungsfähigkeit
Wie auch in ähnlich gelagerten Fällen, wird zu Recht von größeren Teilen der Bevölkerung in Zweifel gezogen, ob staatliche Behörden gegen sich selbst ermitteln können und inwiefern das Ergebnis am Ende auch tatsächlich den Realitäten entspricht. Bislang sind Anträge und Initiativen zur Schaffung unabhängiger Ermittlungsstellen durch politische Parteien aus dem Spektrum Mitte bis Rechts in allen Parlamenten verhindert worden. Wie lange kann diese Forderung noch ignoriert werden, bevor sie in ein Gesetz und eine Verordnung gegossen wird?
No Justice – no Peace; Abolish the Police – Wutreden mit teilweise fragwürdigen Inhalten
In den sehr, sehr vielen gehaltenen Reden (viele RednerInnen zogen wegen des Überangebots zurück; wie bspw. Omas gegen Rechts und Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar), die bei den Auftakt- und Abschlusskundgebungen gehalten wurden, wurde Wut verbal auf mannigfaltige Art geäußert. Leider zu oft hochgradig emotional und sachlich abwegig. Aus diesem Grund zitieren wir nicht aus diesen Reden. Einzig positiv zu erwähnen sind die Reden einer Kollegin des Verstorbenen, die sinngemäß sagte „Ich halte hier eine Trauerrede für meinen Kollegen und keine auf einer Demokundgebung“. Und die Rede eines Vertreters der VVN-BdA Mannheim, der seine Abscheu vor Polizeigewalt äußerte und im gleichen Atemzug zur Versachlichung in der Debatte aufrief, nach dem klugen Motto „Alle sollten mal einen oder zwei Gänge zurückschalten“.
Höchst peinlich ist die Tatsache, dass sich außer der Die Linke keine weitere demokratische Partei im Mannheimer Gemeindeparlament solidarisch gezeigt hat mit der Veranstaltung als solcher. Zumindest wurden keine prominenten VertreterInnen anderer Parteien gesichtet.
Kann Antifa mehr? – Polizeistrategie erfolgreich
„Wut ging von der Demo kaum aus“, so die Stimmen mehrer BeobachterInnen der Antifa-Bewegungen in Westdeutschland, die namentlich nicht genannt werden möchten. „Außer den üblichen Ritualen und Symboliken vieler Antifas ist da heute in Mannheim wenig passiert, obschon es Möglichkeiten gegeben hätte.“ Weiter: „Wenn es die Antifa nicht (mehr) drauf hat, der Veranstaltungsorga bekannte Nazis und Coronaleugner, vom Marktplatz zu verjagen“, dann machen sich BeobachterInnen Sorgen.
Bei aller Kritik, die zutreffend ist, muss aber auch gesagt werden, ohne die überregionale Mobi wären es am Ende nicht zirka 1000 AktivistInnen gewesen, die durch Mannheimer Straßen gelaufen wären und in Teilen Spuren hinterlassen haben.
Die polizeilichen Einsatzkräfte hatten einen entspannten Einsatztag. Laut einer Pressemitteilung gab es sinngemäß „keine Verluste in den eigenen Reihen; alle Kräfte gesund und munter.“ Die Strategie war von Anbeginn erkennbar: Massive Präsenz im Rückraum des Demozugs; hin und wieder zeigten sich die aufmontierten Kräfte; ansonsten laufen lassen und nur StreifenbeamtInnen/Antikonfliktteams in erster Reihe präsentieren. Und man sollte sich nicht täuschen lassen: Auch wenn schon keine uniformierten Polizei-Foto/Videografen zu sehen waren; in Zivilkleidung waren sie immer präsent.
Kritisches Fazit
Sehr stark waren 1000 TeilnehmerInnen, die aus den unterschiedlichsten Gründen effektiv teilnahmen. Die Veranstalter haben, bei allem Respekt für ihr gezeigtes Engagement binnen kürzester Zeit, ihr Ziel weit verfehlt. Der Zeitpunkt der Veranstaltung war zu früh gewählt. Zu früh wurden wichtige Ressourcen vergeudet, die man später mit weiteren Erkenntnissen angereichert optimaler hätte investieren können. In der Frage wie es nach dem 07. Mai in Mannheim weitergeht, fragt man sich, wie sinnvoll es ist jetzt jede Woche montags eine Kundgebung anzumelden, wie man es heute in sozialen Netzwerken lesen konnte.
(Bericht: Rick de la Fuerte / Fotos: Rick de la Fuerte und Tobias Schulze)
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