„Terroranschlag in Mannheim“ – Warum ein Blogger auch letztinstanzlich wegen des Verbreitens von Fakenews vor Gericht unterlag

Nach Recherchen des Neckarstadtblog (Mannheim) wurde bereits im Mai 2022 die Verfassungsbeschwerde des Bloggers Hardy Prothmann abgewiesen. Bekannt wurde die Entscheidung der Gerichtsbehörde erst am 29.07.2022.

Vorspann

Der Blogger Hardy Prothmann (nach eigenen Angaben Redaktionsleiter des Rheinneckar-Blog /RNB) postete zu später Stunde im März 2018 eine Fake-Horrorstory in seinem Blog. Damals behauptete der Autor, dass mutmaßlich Islamisten mordend durch Mannheim ziehen würden.

Screenshot RNB; Bericht „Terroranschlag in Mannheim“ 25.03.2018

Die Verbreitung der Fakenews und deren Konsequenzen beschäftigten Gerichte bis heute im Jahr 2022.

2018/2019

Das Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft Mannheim sahen es als erwiesen an, dass der Betreiber eines Online-Angebots für „Nachrichten und Informationen“ den öffentlichen Frieden erheblich gestört hat. Der Verteidiger des Angeklagten plädierte auf Freispruch und lies kein gutes Haar an seinem Mandanten. Der angeklagte Blogger wurde 2018 vom deutschen Presserat wegen der Verbreitung von Falschnachrichten gerügt: „Dieser habe der Arbeit und dem Image deutscher Medien erheblichen Schaden zugefügt“.

(Az: 20 Cs 806 Js 10181/18)

Der Mannheimer Polizeipräsident Köber sagte im Zeugenstand aus, dass er kurz vor Weihnachten 2017 von dem Blogger telefonisch und schriftlich angefragt und um Meinung zu einem geplanten „Gonzo“-Artikel gebeten wurde. Der Artikel in einer Entwurfsversion beschäftigte sich mit einer möglichen Terrorgefahr für Mannheim. Der Zeuge hat dem Blogger mitgeteilt, dass er diesem von einer Veröffentlichung dringend abrate. „Eine Verunsicherung der Bevölkerung, die Polarisierung auf bestimmte Gesellschaftsgruppen, würden nicht ins Stimmungsbild passen“. Nachdem der Artikel danach nicht publiziert wurde, ging der Zeuge davon aus, dass die Sache erledigt sei. Nachdem der Fake-Bericht Ende März 2018 online erschienen war, ist der Zeuge durch Mitarbeiter über den Sachstand informiert worden.

(Archivbild)

Wegen der Störung des öffentlichen Friedens (§126 StGB; „(2) Ebenso wird bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wider besseres Wissen vortäuscht, die Verwirklichung einer der in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten stehe bevor.) wurde der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je € 100,- verurteilt. Die Verfahrenskosten und weitere Auslagen hat der Verurteilte zu tragen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

2019/2020

Im Januar 2019 wurde der Herausgeber eines Internetblogs für „Nachrichten und Informationen“ am Amtsgericht Mannheim wegen des Verbreitens von Falschnachrichten und der Störung des öffentlichen Friedens zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Gegen das Urteil legten der Verurteilte und die Staatsanwaltschaft Mannheim Berufung ein. Der Berufungsprozess am Landgericht Mannheim endete am 02.03.2020 erneut mit einer Verurteilung des Beklagten zu einer Geldstrafe.

Das Urteil: Das Verbreiten von Fakenews ist nicht durch die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit gedeckt

Bei der Verkündung des Urteils teilte die Richterin mit, dass die Berufung verworfen ist und der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt wird. Zusätzlich hat dieser seine eigenen Kosten und die Kosten durch das Einlegen der Berufungen zu tragen. Die Verfahrenskosten beim Landgericht gehen Lasten der Staatskasse.

Die mündliche Urteilsbegründung war ähnlich derer am Amtsgericht formuliert:

Die Beweisführung hat belegt, dass der Tatvorwurf nach § 126 StGB bewiesen ist. Mit dem wissentlichen Verbreiten von falschen Informationen und Nachrichten hat der Angeklagte rassistische Ressentiments bedient und habe mit der Berichterstattung Effekthascherei betrieben. In Zeiten in denen seriöse Medien in rechtsradikalen Kreisen als „Lügenpresse“ tituliert werden, hat der Journalist mit seinem vorsätzlichen, fahrlässigen Tun die gesetzlich verbriefte Pressefreiheit missbraucht. „Gonzo“ ist kein journalistisches Stilmittel, sondern zählt zur Literatur. Von daher ist das Handeln des Angeklagten nicht durch die Kunstfreiheit gedeckt. Die Meinungsfreiheit endet, wenn strafbares Handeln und Tun vorliegen, wie in diesem Fall. Die Richterin sagte, dass der Angeklagte durch sein Auftreten vor Gericht gezeigt hat, dass er an einer sachlichen Auseinandersetzung mit den Vorwürfen kein Interesse hatte.

Zur verfassungsmäßigen Ordnung und zum Wertesystem des Grundgesetzes gehört auch eine funktionierende und freie Presse, wie dies in Art 5 Abs. 2 GG zum Ausdruck gekommen ist. Freie Presse ist wesentlicher Garant für das Funktionieren einer Demokratie, da ohne Information demokratische Rechte nicht auszuüben sind. Hierfür ist unerlässlich, dass die als Information bezeichneten Inhalte auch wahrheitsgemäß sind. Dieser Wahrhaftigkeit der Information kommt im gegenwärtigen medialen Zeitalter eine überragende Bedeutung zu. Dies folgt zum einen daraus, dass es für jedermann einfach ist, unüberprüfte und nur schwierig überprüfbare Informationen zu verbreiten. Daher kommt es häufig zur Verbreitung von falschen Inhalten (eben sog. „Fake news“), die nur allzu oft für bare Münze gehalten, als willkommene Argumentationshilfe für abseitige Positionen verwendet oder missbraucht werden, was den politischen Diskurs extrem erschwert. Zum anderen kann die Presse ihre wichtige Funktion für das Funktionieren der Demokratie nur dann erfüllen, wenn sie in der Bevölkerung Vertrauen genießt. Wenn Presse nicht mehr als seriös wahrgenommen wird, führt dies dazu, dass den von ihr verbreiteten Inhalten Misstrauen entgegengebracht wird. Die Presse der Lüge zu zeihen wird in rechtsextremen Kreisen häufig als „Totschlagargument“ gegen jegliche differenzierte, die eigene Meinung widerlegende Argumentation genutzt. Das zeigt das häufig zu erlebende Skandieren des Wortes „Lügenpresse“ bei rechtsextremen Veranstaltungen. Dies gefährdet die dringend erforderliche sachliche Auseinandersetzung in Politik und Gesellschaft. Dieses notwendige Vertrauen in die Wahrhaftigkeit der Presse schwindet, wenn solcherart falsche und angsterzeugende Meldungen im Rahmen eines dezidiert als Nachrichtenportal bezeichneten Blogs eingestellt werden, die sich erst im Nachhinein als unwahr erweisen, und die vollständige Information dem ungehinderten Zugriff des Nutzers entzogen wird.

Nach alledem ist das Handeln des Angeklagten durch das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG nicht in der Weise gedeckt, dass die Strafbarkeit aus § 126 Abs. 2 StGB entfiele.“

(Archivbild)

2021/2022

Ein Blogger aus dem Rhein-Neckar-Raum wurde Anfang 2020 zweitinstanzlich beim Landgericht Mannheim zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Das Gericht sagte seinerzeit in der schriftlichen Urteilsbegründung u.a.:

(Massiver Terroranschlag im März 2018)

Die Strafbarkeit des Angeklagten entfällt nicht deshalb, weil seine Veröffentlichung grundrechtlichen Schutz genösse.

OLG verwirft Revision

In einer Verlautbarung teilte das Gericht in Karlsruhe mit:

„Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 2. März 2020 wird auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, die dem Verteidiger Gelegenheit zur Gegenäußerung gegeben hat, einstimmig als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).“

Vorläufiges Fazit:

Der Blogger hat den Rechtsweg nach Juristenmeinungen beinahe ausgeschöpft. Dies bedeutet, dass die ihm auferlegte Geldstrafe aus dem Berufungsprozess vor dem Landgericht Mannheim 2020 in Höhe von 120 Tagessätzen à 40 Euro möglicherweise rechtskräftig ist.

2022 und Nachspann

Unter dem Aktenzeichen 1 BvR 2426/20 teilte das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe mit, dass mit Beschluss vom 02.05.2022 (liegt ARP vor), die Verfassungsbeschwerde des Bloggers Prothmann nicht zur Entscheidung angenommen wurde.

Der Blogger ist aufgrund seiner Negativ-Historie (AfD-nah; rechtslastig und seit 2017 häufig unprofessionell unterwegs in der Metropolregion Rhein-Neckar), als ehemals anerkannter Journalist nur noch bei wenigen Menschen beliebt.

Bereits im Januar 2017 berichtete der AK Antifa Mannheim bei Indymedia über Hardy Prothmann:

Screenshot Indymedia; AK Antifa Mannheim 23.01.2017

Ob es Prothmann schafft, nach Zahlung seiner Strafe, seinen Blog auf ein wieder seriöses Niveau zu bringen, dass es dem ehemaligen Mannheimer Morgen-Reporter erlaubt, von seinem zahlungspflichtigen Webangebot den Lebensunterhalt zu verdienen? Die Chancen stehen dafür aktuell eher schlecht. Augenscheinlich ist seine Haupteinnahmequelle derzeit Meta (Facebook). Mit dem RNB-Angebot dort verdient er mit „Sternchen“ ein Einkommen.

(Bericht und Fotos: Rick de la Fuerte und wie angegeben)

Weiterführende Links:

https://kommunalinfo-mannheim.de/2021/04/29/karlsruhe-verwirft-revision-rhein-neckar-blogger-nunmehr-rechtskraeftig-verurteilt/